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Einleitung

Das folgende Sutra enthält einen Abschnitt, der im Sutra selbst als „Meditation über die Leerheit“ bezeichnet wird und als „die bedeutendste und tiefgründigste Meditation“.

Erläutert wird das buddhistische Konzept der Leerheit an dieser Stelle vom Mönch Shariputra, einem der wichtigsten Schüler des Buddhas.

Leerheit Sand Mandala

Thich Nhat Hanh hat häufig betont, dass Leerheit als die Abwesenheit von etwas verstanden werden kann – und zwar die Abwesenheit eines unabhängigen, eigenständigen Selbst.

Dies wird im Sutra anhand von vielen Beispielen deutlich gemacht, die alle darauf abzielen, zu zeigen, was das Ich nicht definiert – bzw. wodurch es sich binden oder begrenzen lässt.

Dadurch wird die Vorstellung eines selbstständigen, greifbaren, begrenzten Ichs hinterfragt.

Das, was im Westen als Selbst oder Ich verstanden wird, zeigt sich in der buddhistischen Lehre in den Fünf Skandhas (Ansammlungen oder Anhäufungen):

  1. Form oder der materielle Körper (rupa)
  2. Gefühle (vedana)
  3. Sinneswahrnehmungen (samjna)
  4. Geistige Gebilde – etwa Gedanken, vor allem Wünsche, Absichten und Begierden (samskara)
  5. Bewusstsein (vinjnana).

Diese fünf Ansammlungen sind in ständiger Veränderung. Sie zeichnen sich aus durch fortwährendes, wechselseitig bedingtes Entstehen und Vergehen.

Dieses ständige Entstehen und Vergehen ist es, was bei der Achtsamkeitsmeditation beobachtet wird (vgl. Satipatthana Sutra).

In diesem Sutra wird daraus eine »Meditation über die Leerheit«.

„In den Fünf Skandhas gibt es nichts, das wir ‚Ich‘, eine ‚Person‘ oder eine ‚Seele‘ nennen könnten. Unwissenheit ist die Unfähigkeit, diese Wahrheit zu erkennen.“


Dieses Sutra stammt aus dem Buch „Der Buddha sagt – Seine wichtigsten Lehreden“ von Thich Nhat Hanh.

Der Buddha sagt. Seine wichtigsten Lehrreden

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Sutra nach Thich Naht Hanh

So habe ich gehört:

Zu jener Zeit weilte der Erhabene im Kloster des Jeta-Haines in Anathapindikas Park, in der Nähe von Savatthi.

Damals war der Hausherr Anathapindika ernsthaft erkrankt. Als der Ehrwürdige Shariputra davon erfuhr, suchte er sofort Ananda auf und bat: „Bruder Ananda, bitte komm mit mir, den Laien Anathapindika zu besuchen.“

Der Ehrwürdige Ananda antwortete: „Lass uns sogleich gehen.“

Der Ehrwürdige Ananda zog seine Robe an, nahm seine Schale und ging zusammen mit dem Ehrwürdigen Shariputra in die Stadt Savatthi, um die Almosenrunde zu machen.

Gehmeditation Theravada Buddhismus

Ananda hinter Shariputra, so gingen sie von Haus zu Haus, bis sie zum Hause des Laien Anathapindika gelangten. Dort traten sie ein, um ihm ihren Besuch abzustatten.

Nachdem er sich niedergesetzt hatte, fragte der Ehrwürdige Shariputra den Laien Anathapindika: „Was macht deine Erkrankung? Wird sie schlimmer oder besser? Lassen die Schmerzen etwas nach oder werden sie stärker?“

Der Hausherr Anathapindika erwiderte: „Ehrwürdige Mönche, es sieht nicht so aus, als wenn meine Erkrankung besser würde. Die Schmerzen lassen nicht nach, sondern werden im Gegenteil immer stärker.“

Shariputra sagte: „Freund Anathapindika, es ist jetzt an der Zeit, die Meditation über die Drei Juwelen – den Buddha, das Dharma und die Sangha – durchzuführen.

Mönch meditiert.

 

Der Buddha ist zur Soheit gelangt, ist vollkommen und wirklich erwacht, hat Verstehen und Handeln vervollkommnet, hat wahres Glück erreicht, versteht das Wesen der Welt und ist in seinem Verständnis ohnegleichen, hat die menschlichen Sorgen besiegt, ist Lehrer der Menschen und Götter und ist der Erwachte, der Erhabene, ist der, der die Welt befreit.

Das Dharma ist die Lehre der Liebe und des Verstehens, wie sie der Tathagata dargelegt hat. Sie ist tiefgründig und wundervoll, sie verdient die höchste Achtung und ist sehr kostbar. Es ist eine Lehre, die nicht mit gewöhnlichen Lehren verglichen werden kann. Sie ist ein Pfad der Übung für die von edler Gesinnung.

Die Sangha ist die Gemeinschaft der Übenden, die den Lehren des Erwachten folgen. Die Gemeinschaft ist harmonisch, und es können alle Aspekte der Übung in ihr verwirklicht werden. Die Gemeinschaft wird geachtet und ist kostbar. Sie praktiziert die Achtsamkeitsübungen und verwirklicht Konzentration, Einsicht und Befreiung. Gaben für die Sangha sind sehr verdienstvoll.

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Freund Anathapindika, wenn du auf diese Weise über den Buddha, das Dharma und die Sangha meditierst, sind die wohltuenden Wirkungen grenzenlos.

Wenn du auf diese Weise meditierst, kannst du die Hindernisse, die aus falschen Taten entstanden sind, zerstören und das Leiden beenden.

Dann kannst du eine Frucht ernten, die so frisch und süß ist wie der Trost eine Bodhisattvas.

Eine Frau, die eine aufrichtige Lebensweise verwirklicht und über die drei Juwelen zu meditieren weiß, oder ein Mann der eine aufrichtige Lebensweise verwirklicht und über die Drei Juwelen zu meditieren weiß, kann nicht in die drei niedrigeren Reiche geraten, sondern wird als Mensch oder als Gott wiedergeboren werden.

Lotus Blume

Freund Anathapindika, nun ist es an der Zeit, die Meditation über die sechs Sinnesgrundlagen durchzuführen:

Diese Augen sind nicht ich. Ich bin nicht gebunden an diese Augen.

Diese Ohren sind nicht ich. Ich bin nicht gebunden an diese Ohren.

Diese Nase ist nicht ich. Ich bin nicht gebunden an diese Nase.

Diese Zunge ist nicht ich. Ich bin nicht gebunden an diese Zunge.

Dieser Körper ist nicht ich. Ich bin nicht gebunden an diesen Körper.

Dieser Geist ist nicht ich. Ich bin nicht gebunden an diesen Geist.

Buddha Meditation

Nun richte deine Meditation auf die sechs Sinnesobjekte:

Diese Formen sind nicht ich. Ich bin nicht gebunden an diese Formen.

Diese Geräusche sind nicht ich. Ich bin nicht gebunden an diese Geräusche.

Diese Gerüche sind nicht ich. Ich bin nicht gebunden an diese Gerüche.

Diese Geschmacksarten sich nicht ich. Ich bin nicht gebunden an diese Geschmacksarten.

Diese Körperberührungen sind nicht ich. Ich bin nicht gebunden an diese Körperberührungen.

Diese Gedanken sind nicht ich. Ich bin nicht gebunden an diese Gedanken.

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Nun richte deine Meditation auf die sechs Arten von Sinnesbewusstsein:

Sehen ist nicht ich. Ich bin nicht gebunden an das Sehen.

Hören ist nicht ich. Ich bin nicht gebunden an das Hören.

Riechbewusstsein ist nicht ich. Ich bin nicht gebunden an das Riechbewusstsein.

Schmeckbewusstsein ist nicht ich. Ich bin nicht gebunden an das Schmeckbewusstsein.

Körperbewusstsein ist nicht ich. Ich bin nicht gebunden an das Körperbewusstsein.

Geistbewusstsein ist nicht ich. Ich bin nicht gebunden an das Geistbewusstsein.

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Nun richte deine Meditation auf die sechs Elemente:

Das Erdelement ist nicht ich. Ich bin nicht gebunden an das Erdelement.

Das Wasserelement ist nicht ich. Ich bin nicht gebunden an das Wasserelement.

Das Feuerelement ist nicht ich. Ich bin nicht gebunden an das Feuerelement.

Das Luftelement ist nicht ich. Ich bin nicht gebunden an das Luftelement.

Das Raumelement ist nicht ich. Ich bin nicht gebunden an das Raumelement.

Das Bewusstseinselement ist nicht ich. Ich bin nicht gebunden an das Bewusstseinselement.

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Nun richte deine Meditation auf die Fünf Skandhas:

Form ist nicht ich. Ich werde nicht begrenzt durch das Skandha der Form.

Empfindungen sind nicht ich. Ich werde nicht begrenzt durch das Skandha der Empfindungen.

Wahrnehmungen sind nicht ich. Ich werde nicht begrenzt durch das Skandha der Wahrnehmungen.

Geistige Gebilde sind nicht ich. Ich werde nicht begrenzt durch das Skandha der geistigen Gebilde.

Bewusstsein ist nicht ich. Ich werde nicht begrenzt durch das Skandha des Bewusstseins.

Weiße Lotusblume

Nun richte deine Meditation auf die drei Zeiten:

Vergangenheit ist nicht ich. Ich werde nicht begrenzt durch die Vergangenheit.

Gegenwart ist nicht ich. Ich werde nicht begrenzt durch die Gegenwart.

Zukunft ist nicht ich. Ich werde nicht begrenzt durch die Zukunft.

Buddha Riesige Statue

Freund Anathapindika, alles, was ist, entsteht aufgrund von Ursachen und Bedingungen.

Alles, was ist, hat die Eigenschaft, nicht geboren zu werden und nicht zu sterben, nicht zu erscheinen und nicht zu vergehen.

Wenn Augen entstehen, so entstehen sie, aber sie kommen nirgendwoher. Wenn Augen aufhören zu existieren, so hören sie auf zu existieren, aber sie gehen nirgendwohin.

Augen sind nicht nicht da, bevor sie entstehen, noch sind sie da, nachdem sie entstanden sind. Alles, was ist, gelangt zum Sein aufgrund einer Verkettung von Ursachen.

Wenn die Ursachen und Bedingungen hinreichen, sind Augen vorhanden. Wenn die Ursachen und Bedingungen nicht hinreichen, sind keine Augen vorhanden.

Das Gleiche gilt für Ohren, Nase, Körper und Geist; für Form, Geräusch, Geruch, Geschmack, Berührung und Gedanken; für das Seh-, Hör-, Riech-, Schmeck-, Körper-, und Geistbewusstsein; für die sechs Elemente, die Fünf Skandhas und die drei Zeiten.


Video: Erläuterungen von Thich Nhat Hanh


In den Fünf Skandhas gibt es nichts, das wir „ich“, eine „Person“ oder eine „Seele“ nennen könnten.

Unwissenheit ist die Unfähigkeit, diese Wahrheit zu erkennen.

Weil es Unwissenheit gibt, gibt es falsch wirkende Triebkräfte.

Weil es falsch wirkende Triebkräfte gibt, gibt es irrendes Bewusstsein.

Weil es irrendes Bewusstsein gibt, gibt es die Unterscheidung zwischen dem Wahrnehmenden und dem Wahrgenommenen.

Weil es die Unterscheidung zwischen dem Wahrnehmenden und dem Wahrgenommenen gibt, gibt es die Unterscheidung zwischen den sechs Sinnesorganen und den sechs Sinnesobjekten.

Weil es die Unterscheidung zwischen den sechs Sinnesorganen und den sechs Sinnesobjekten gibt, gibt es Sinneskontakte.

Weil es Sinneskontakte gibt, gibt es Empfindungen.

Weil es Empfindungen gibt, gibt es Begehren.

Weil es Begehren gibt, gibt es Ergreifen.

Weil es Ergreifen gibt, gibt es Werden.

Weil es Werden gibt, gibt es Geburt, Tod und die daraus folgenden unbeschreiblichen Schmerzen und Leiden.

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Freund Anathapindika, du hast nun darüber meditiert, dass alles, was entsteht, an Ursachen und Bedingungen gebunden ist und kein eigenes Selbst besitzt.

Dies wird „die Meditation über die Leerheit“ genannt. Es ist die bedeutendste und tiefgründigste Meditation.“

Als der Laie Anathapindika in seiner Meditation an diesem Punkt angelangt war, begann er zu weinen.

Der Ehrwürdige Ananda fragte ihn: „Freund, warum weinst du? War deine Meditation erfolglos? Bedauerst du etwas?“

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Der Laie Anathapindika erwiderte: „Ehrwürdiger Ananda, ich bedauere nichts. Die Meditation war sehr erfolgreich. Ich weine, weil ich so bewegt bin.

Ich hatte das Glück, dem Buddha und seiner Gemeinschaft über viele Jahre zu dienen, doch ich habe niemals eine so tiefe, so wundervolle und so kostbare Unterweisung gehört wie diejenige, die ich heute von dem Ehrwürdigen Shariputra erhalten habe.“

Daraufhin sagte der Ehrwürdige Ananda zu dem Laien Anathapindika: „Weißt du, Freund, dass der Buddha den Mönchen und Nonnen immer diese Unterweisung gibt?“

Der Laie Anathapindika antwortete: „Ehrwürdiger Ananda, bitte sage dem Buddha, dass auch Laien die Fähigkeit haben, diese tiefen und wundervollen Unterweisungen zu hören, zu verstehen und in die Praxis umzusetzen.“

Nachdem er Shariputras Anleitungen gehört und in entsprechender Weise meditiert hatte, fühlte sich Anathapindika ruhig und frei.

Die Ehrwürdigen Shariputra und Ananda sagten ihm Lebewohl und gingen zum Kloster zurück.


Textauszug aus dem Buch: „Der Buddha sagt – Seine wichtigsten Lehreden“ von Thich Nhat Hanh.

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Quellen

Ekottara Agama 51.8,

unter Hinzuziehung von Majjhima Nikaya 143 und Madhyama Agama 28

Englische Version auf plumvillage.org

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